Der zweite Tag

Der zweite Tag

Meine Frau sorgt sich außer um die gesunde Ernährung unserer Kinder auch um deren kulturelle Bildung. Deshalb wird bei jedem Urlaub jedes noch so kleine Dorf, das älter als vierhundert Jahre ist, besucht. Jede Kirche angeschaut und alle in Reiseführern beschriebenen Sehenswürdigkeiten besucht. Auch hier bin ich wieder der Kollateralschaden.

Deshalb machen wir jeden zweiten oder dritten Tag einen „kulturellen Ausflug“. Heute ist es wieder soweit.

Um acht Uhr wird gefrühstückt. Acht Uhr, im Urlaub! Wenn Jonas mich nicht jeden Tag sowieso um diese Zeit wecken würde, würde ich mich jetzt darüber aufregen. Doch es wird nie so heiß gegessen, wie es gekocht wird, besagt ein Sprichwort. Als Jonas und ich um acht Uhr erwartungsvoll am gedeckten Frühstückstisch sitzen, passiert nichts. Ihre Majestät und „Ts,oh! Augenrollen!“ erscheinen erst gegen neunuhrdreißig. Da ich auf der Hinfahrt gewarnt wurde, frage ich nicht nach. Aber Jonas.

„Ich dachte acht Uhr war ausgemacht?“, fragt Jonas. Wie naiv die kleinen Kinder doch sind. Mir war schon im Vorfeld klar, dass die Uhrzeit von der holden Damenwelt nicht gehalten werden wird.

Nach dem Frühstück räumen die Kinder ab, ich bin noch immer in Rennen, und alle bereiten sich für die Abfahrt vor. Der unwissende Leser denkt sich, das dauert doch nur zehn Minuten, weit gefehlt. Zuerst alle nochmals auf die Toilette. Dann Rucksäcke packen. Getränke, Sonnenbrille, Fotoapparat, mittlerweile hat jeder von uns seinen eigenen, Tempotaschentücher und sonstige diversen Dinge, die man im Falle der Apokalypse benötigen könnte.

Der unwissende Leser wird nun anmerken, das passt doch alles in einen Rucksack, au contraire.

Trotz gesunder Ernährung lieben Jonas und ich zuckerhaltige Getränke. Bei Jonas muss es Cola sein, wohingegen ich auf die einheimischen Getränke ausweiche. Meine Frau brüht sich extra noch Tee auf und unsere Tochter besteht auf stilles Wasser. Anna erwartet eine Überraschung. Das wären also schon vier Ein-Liter-Flaschen Getränke. Dazu kommen noch diverse Kleiteile, sodass das Gewicht des fertig gepackten Rucksacks die Maximallast eines nepalesischen Sherpas überschreiten würde. Und nun raten sie mal wer diesen einen Rucksack tragen müsste? Richtig!

Deshalb jeder seinen eigenen Rucksack.

Nachdem alle zwanzig Minuten später abfahrbereit vor dem Haus stehen wird nochmals die Packliste durchgegangen.

„Getränke?“

„Hab´ ich!“, antwortet mein Sohn.

„Sonnenbrille?“, und schwupps rennt Jonas wieder ins Haus, um seine Sonnenbrille zu suchen.

Als er wieder da ist geht es weiter. Nachdem wir die Liste durchgegangen sind und keine vergessenen Gegenstände bei unseren Kindern feststellen konnten, steigen alle ins Auto ein.

„Hat sich auch jeder mit Sonnenschutz eingecremt?“, fragt meine Frau.

„Hätten wir das sollen?“, Jonas ist erst neun.

„Ts,oh! Augenrollen!“, diesmal wieder Anna

Also alle wieder aussteigen, denn das mit dem Eincremen kann dauern und im Auto sind mittlerweile schon über fünfzig Grad.

Eine Viertelstunde später erscheinen meine Frau und Jonas wieder. Endlich kann es losgehen. Auf die Frage meiner Tochter, was denn noch so lange gedauert hat, bekommen wir die Antwort, „Jonas war nochmal auf dem Klo.“.