„Man das juckt…“
Am Morgen des dritten Tages habe ich meine Wette gewonnen. Nach dem Frühstück verschwanden die Kinder so schnell wie der Blitz ohne auch nur einen Teller oder sonst irgendetwas abgeräumt zu haben.
Auch diese Nacht haben mich wieder die kleinen Plagegeister des Südens, Moskitos nicht meine Kinder, heimgesucht. Am ganzen Körper bin ich verstochen. Nach dem fünfzehnten Stich habe ich aufgehört zu zählen. Das Jucken bekämpfe ich mit kratzen und fluchen. Falls es zu große Ausmaße annimmt, bekämpfe ich das Jucken mit einer Art kleinem Deoroller, den es in Italien an jedem Supermarkt zu kaufen gibt. Ich nenne das kleine Ding chemische Keule, aber es hilft.
Seit Neuestem hat meine Frau ein elektronisches Teufelsding. Sie hat es im Internet entdeckt und bestellt. Schließlich wurde es ja auch von Stiftung Warentest als „sehr gut“ eingestuft. Dann muss es ja auch gut sein. Den Namen von dem Ding kann ich leider nicht aussprechen. Jedenfalls droht mir und den Kindern bei jedem Kratzen der Einsatz des Teufelsdings durch meine Frau. Die Bedienung ist denkbar einfach. Man setzt das Ding auf den Stich und drückt einen Knopf. Danach wird die Stelle kochend heiß und man fängt an zu schreien. Danach erinnert man sich nicht mehr daran, dass es an der Stelle jemals gejuckt hat, so groß sind die Schmerzen. Bei jedem Schreien antwortet meine Frau
„Hab dich nicht so!“
Sie selbst behauptet aber keine Mückenstiche zu haben. Auch das zweifle ich an. Ich glaube sie ist die Reinkarnation des Marquis de Sade.
Dem Prüfer von Stiftung Warentest gehört nachträglich der Hauptschulabschluss entzogen, was soll den an dem Gerät „sehr gut“ sein?
Mein Sohn behauptet seit Neuestem auch, keine Stiche mehr zu haben, dabei sieht man, dass seine gesamte linke Wade verstochen ist. Selbstschutz.
Ich muss das Teufelsding loswerden. Nicht um meinetwillen, nein, ich muss die Kinder retten.
Nachdem mich meine Frau eine Viertelstunde damit malträtiert hat und die Nachbarn, die einen Kilometer entfernt wohnen, wegen meiner Schreie Amnesty International informiert haben, spüre ich kein Jucken mehr. Ich spüre gar nichts mehr.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht rufe ich die Kinder, damit sie den Tisch abräumen. Leider habe ich das Signalwort vergessen.
Also zweiter Versuch.
„HEY!“, beide kommen lustlos angellaufen.
„Tisch abräumen!“, sage ich.
„Ts,oh! Augenrollen.“, dieses Mal gleich zweifach, aber dennoch kommt kein Widerspruch, da die Regierung auch anwesend ist.
Nachdem die Kinder abgeräumt haben kommt mir die rettende Idee. Als das gesamte Geschirr und das Besteck in die Spülmaschine eingeräumt ist, schmuggle ich schnell noch das Teufelsding in den Geschirrkasten. Maschine zu und schnell anschalten. Ich höre mit einem seligen Lächeln das Wasser in die Spülmaschine einlaufen. Na also, geht doch.
Und das Beste, ich kann es ohne Weiteres Jonas in die Schuhe schieben. Die Kinder waren für das Abräumen zuständig, dabei ist leider das Teufelsding unbeabsichtigt mit in die Spülmaschine geraten. Anna hätte das gemerkt, aber Jonas ist erst neun und sowieso etwas schusselig. Zusätzlich kann meine Frau ihm nicht lange böse sein, mir schon. Für mich eine Win-Win-Situation.
Der Tag kann nur gut werden.
Falls meine Frau jedoch nicht so leicht zu besänftigen ist, habe ich noch ein Faustpfand in der Hinterhand, um Jonas zu retten.
Vor einigen Jahren, als Jonas noch in den Kindergarten ging, haben die Kinder „Nudelketten“ gebastelt. Sie wissen schon, Penne auf einem Faden aufgezogen. Stolz kam unser Sohn heim und schenkte seiner Mutter diese abgrundtief hässliche Kette. Wie Eltern nun mal so sind, spielte meine Frau die Begeisterte und lobte ihren Sprössling für „die tolle Kette“.
Der Effekt war, dass unser Sohn darauf bestand mit meiner Frau einkaufen zu gehen. Beide im Partnerlook mit einer Kette aus Nudeln um den Hals.
Der Temin bei der Bank muss göttlich gewesen sein. Ich möchte gar nicht wissen, was sich der Bankangestellte beim Anblick meiner Frau gedacht hat.
Das Resultat war, dass die Kette bereits am nächsten Tag unter mysteriösen Umständen verschwand. Es gab Penne all´ arrabbiata zum Mittagessen.
Unser Sohn war am Boden zerstört, als er vom Verschwinden erfuhr und bot sofort an eine neue Kette herzustellen, weil seine Mama die verlustig gegangene Kette so sehr gemocht hat. Nur mit vielen Argumenten war Jonas von seinem Vorhaben abzubringen.
Seither kann ich meine Frau, wenn Jonas wieder einmal etwas verbockt hat, mit der Erinnerung an diese Geschichte milde stimmen.