Mitternacht

Mitternacht

Der Wecker klingelt eine halbe Stunde vor Abfahrt. Eine halbe Stunde zum fertig richten langt, dachte ich. Um zehn Minuten vor Mitternacht habe ich fertig geduscht, die Kühltruhe ins Auto eingeräumt, das Navigationsgerät mit der Urlaubsadresse programmiert und sitze jetzt auf der Fahrerseite und warte auf den Rest der Familie. Um Mitternacht steigt meine Tochter hinten ein. Handy in der Hand, Kopfhörer in den Ohren.

„Wie sieht´s aus?“, frage ich. Keine Reaktion. Also wiederhole ich meine Frage. Wieder nichts. Also letzte Chance.

„HEY!“, brülle ich ins Auto, ich habe Angst die ganze Nachbarschaft aufgeweckt zu haben. Endlich eine Reaktion.

Bevor ich jetzt weiterschreiben kann, muss ich etwas erklären. Wenn pubertierende Jugendliche sich gestört fühlen, was eigentlich immer der Fall ist, reagieren alle gleich. Genervter Gesichtsausdruck, ein Schnalzen und ein Stöhnen oder tiefes Ausatmen und ein darauffolgendes Augenrollen. Um dies nicht jedes Mal neu schreiben zu müssen, werde ich zukünftig diesen Vorgang mit „Ts,oh! Augenrollen“ abkürzen. Teenager glauben dies ist die Antwort auf nahezu jede Frage und jede Aufforderung irgendetwas zu erledigen.

Also zurück ins Auto:

„Ts, oh! Augenrollen. Was is?“, antwortet mir meine Tochter.

„Was ist mit den anderen?“, will ich wissen.

„Jonas ist gerade erst wach geworden.“

„Nicht dein Ernst.“

„Doch.“, und schwupp sind die Kopfhörer wieder in den Ohren und es wird fleißig weiter das Handy bearbeitet.

Ich also wieder raus aus dem Auto, um die beiden Schlafhauben mal zur Ordnung zu rufen und anzutreiben. Also rufe ich ins Haus:

„Was ist jetzt?“

Aus dem Schlafzimmer kommt die Stimme meiner Frau: „Stress nicht!“.

Mein Sohn läuft mir im Schlafanzug aus der Toilette entgegen, spülen hat er vergessen. Bevor ich durchdrehe, gehe ich in die Toilette und spüle, danach setze ich mich ins Auto und warte.

Um zwanzig nach zwölf kommt meine Frau und mein Sohn aus dem Haus, beladen mit drei weiteren Rucksäcken. Wie schon vorher erwähnt, wenn du denkst du hast alles eingepackt, kommt irgendwo noch ein Rucksack daher. Oder drei.

Leider wird das Gepäck nur abgestellt und schwupps, ist meine Frau schon wieder weg. Wieder im Haus.

„Was hat sie denn jetzt noch vergessen? Eine IKEA-Schrankwand?“, ich bin mir nicht sicher, ob ich die Frage laut gestellt oder nur gedacht habe. Jedenfalls zeigen die Kinder keine Reaktion.

Nachdem ich die Rucksäcke auf die letzten freien Plätze in den Fußraum gestellt habe, setzte ich mich wieder ins Auto und warte. Weitere fünf Minuten später kommt meine Frau aus dem Haus und steigt ein.

„Warum ist da ein Rucksack in meinem Fußraum? Wo soll ich denn jetzt meine Handtasche hinstellen?“

Liebe männliche Leser, ein guter Tipp, nicht antworten!

„Pack nicht so viel ein!“ war meine Antwort, schwerer Fehler. Das musste ich die ersten einhundert Kilometer büßen.

Nachdem ich endlich wieder sprechen durfte, wollte ich wissen, warum wir so lange gebraucht haben.

Liebe männliche Leser, sie sehen sage ich „wir“, bitte niemals von „ihr“ sprechen, sonst sind die nächsten einhundert Kilometer auch erledigt.

Auf meine Frage, warum das alles so lange dauert, bekomme ich die Antwort, dass Jonas nochmals auf die Toilette musste.

„Hast du auch gespült?“, keine Antwort. Leider wusste er das nicht mehr. Jetzt hilft nur noch beten, zum Umdrehen ist es zu weit. In vierzehn Tagen wissen wir mehr.